Tamara Müller führte als HR-Fachfrau viele Bewerbungsgespräche. Heute arbeitet sie im FAU-Bereich IV als Coach. Im Interview spricht sie über die Dos and Don’ts im Bewerbungsgespräch und gibt Tipps, wie sich Bewerber optimal aufs Gespräch vorbereiten.
Tamara Müller hat zehn Jahre im HR gearbeitet, unter anderem bei Swiss International Airlines.
Text und Fotos ANDREA MARTHALER
Was zeichnet für dich ein gutes Bewerbungsgespräch aus?
TAMARA MÜLLER: Ein gutes Gespräch findet auf Augenhöhe statt. Das bedeutet für mich, dass der Bewerber nicht Bittsteller ist, sondern für sich prüft: Will ich in dieses Unternehmen? Bei einem guten Bewerbungsgespräch wird zudem die 80/20-Regel eingehalten. 80 Prozent der Sprechzeit sind beim Kandidaten, den Rest teilen sich HR und Fachbereich.
Was kann die Bewerberin oder der Bewerber zu einem guten Gespräch beitragen?
Gut ist, wenn ich mich vor dem Gespräch innerlich darauf einstelle. Während des Gesprächs ist es wichtig, offen zu sein, nachzufragen und authentisch zu bleiben. Ich habe schon erlebt, dass ein Bewerber so nervös war, dass eine Blockade auftrat. Fragen wurden an der Fragestellung vorbei beantwortet. Wichtig ist, dass man als Bewerber eine selbstbewusste innere Haltung mitbringt, denn so kann das Gespräch auf Augenhöhe stattfinden. Positiv ist natürlich, wenn jemand Leidenschaft rüberbringt, sich mit der Firma und dem Jobinhalt identifiziert und zeigt, dass er oder sie die Stelle von ganzem Herzen will.
Zentral ist diesbezüglich die Vorbereitung. Dazu gehört, sich die Website des Unternehmens anzuschauen und in den Medien nach News zum Unternehmen zu suchen. Was empfiehlst du darüber hinaus?
Es lohnt sich, über die Personen, die am Gespräch dabei sein werden, zu recherchieren. So erhalte ich ein Gespür dafür, wen ich am Gespräch vor mir haben werde. Zudem muss ich mich mit dem Jobinhalt auseinandersetzen. Wie könnte beispielsweise ein Tagesablauf aussehen? Vielleicht kenne ich auch jemanden in einer ähnlichen Jobfunktion, der mir Auskunft über den Jobinhalt geben kann, oder im besten Fall sogar jemanden im Unternehmen selber. Jede Zusatzinformation, die ich einholen kann, hilft mir. Und natürlich müssen Bewerber in den klassischen Fragen sattelfest sein. Das heisst beispielsweise, sich in zwei Minuten vorzustellen und über Stärken und Schwächen Auskunft geben zu können, ohne nachdenken zu müssen. Zur Vorbereitung zählt auch, Block, Stift und Fragen zum Gespräch mitzunehmen. Findet das Interview online statt, sollten Bewerber sich Gedanken machen, was sie zeigen möchten, sprich: welches Setting als Hintergrund passt.
Wahrscheinlich hast du als HR-Fachkraft auch das Gegenteil erlebt?
Es ist leider tatsächlich mehrfach vorgekommen, dass jemand völlig unvorbereitet zum Gespräch erschien. Die Person hat von Aufgaben erzählt, die gar nicht zum Job passten. Das ist schon eher peinlich. Für solche Fälle können HR und Fachbereich im Rekrutierungsprozess ein Zeichen vereinbaren und das Gespräch entsprechend abkürzen.
Wie viel Zeit würdest du für die Vorbereitung aufwenden?
Zwei Stunden oder mehr dürfen für einen Job, den ich wirklich will, schon investiert werden. So kann ich Sicherheit erlangen und zeigen, dass ich wirklich interessiert bin.
Was empfiehlst du bezüglich Kleidung?
Der Look muss zur Unternehmenskultur und zur Funktion passen. Bin ich unsicher, kann ich auf der Website des Unternehmens nach Fotos von Mitarbeitenden suchen. Tendenziell gilt: eher overdressed als underdressed. Und natürlich frisch geduscht sein, Deo verwenden und Haare waschen.
Das klingt, als ob du bezüglich Kleidung in deiner Zeit im HR einiges erlebt hast.
Ich habe tatsächlich Bewerber erlebt, die völlig overdressed respektive völlig underdressed zum Gespräch erschienen sind. Beides ist problematisch. Einmal trug ein Bewerber, der sich für eine Stelle im technischen Bereich beworben hat, Anzug und Krawatte. Der Vorgesetzte jedoch hatte Jeans und T-Shirt an. Das war schon etwas unangenehm. Umgekehrt hatten wir einen Bewerber, der sich für eine Stelle im Bereich Social Media interessiert hat, der mit Rollbrett und Rasta zum Gespräch erschien. Der Vorgesetzte trug einen Anzug. Die Stelle hat der Bewerber trotzdem bekommen. Natürlich gibt es auch den Fall, dass sich Vorgesetzte unpassend kleiden. Ich denke da an den Techniker, der im Overall direkt aus der Werkstatt zum Gespräch kam.