Wie erkenne ich Mobbing?
Das SECO definiert Mobbing am Arbeitsplatz als Handlungen, die von einer Person oder Gruppe systematisch gegen eine bestimmte Person ausgeübt werden mit dem Ziel, diese aus dem Arbeitsverhältnis zu verdrängen. Dafür gelten folgende Merkmale:
- Das soziale und fachliche Ansehen des Opfers wird angegriffen, indem Täterinnen und Täter dieses lächerlich machen, Gerüchte streuen, abschätzige Bemerkungen platzieren oder Unwahrheiten verbreiten, um dem Ruf des Opfers zu schaden.
- Dem Opfer werden Informationen oder Arbeitsmittel vorenthalten, welche die oder der Mitarbeitende benötigt, um ihre oder seine Aufgaben zu erfüllen.
- Die sozialen Beziehungen des Opfers werden angegriffen: Durch Isolation von Kolleginnen und Kollegen kann die oder der Mitarbeitende anstehende Aufgaben nicht erfüllen.
- Die Qualität der Berufs- und Lebenssituation wird angegriffen, indem die oder der Vorgesetzte dem Opfer schikanöse oder erniedrigende Arbeiten zuweist, unrealistisch knappe Mittel zur Erfüllung eines Auftrags bereitstellt, ungerechtfertigte Kritik übt oder wichtige Aufgaben oder Befugnisse entzieht.Die physische und psychische Gesundheit des Opfers wird angegriffen durch Einschüchterung: Dazu gehören die Androhung von körperlicher Gewalt oder der Kündigung sowie sexuelle Belästigung.
Um zu entscheiden, ob bei einer Häufung dieser Merkmale tatsächlich Mobbing vorliegt, ist eine gesamthafte Betrachtung der Situation im zeitlichen Verlauf erforderlich.
Was sind die Folgen von Mobbing?
Sebastian Haas, Psychiater und Schwerpunktleiter für Burnout und Belastungskrisen an der Privatklinik Hohenegg, sagt: «Über längere Zeiträume hat Mobbing fast im mer gravierende Folgen für die Betroffenen, wobei die Art und Ausprägung der individuellen Belastungsreaktion von den Vorerfahrungen und Begleitumständen der Opfer abhängt. Das Perfide daran ist, dass Mobbing regelhaft im Versteckten abläuft und damit eine grössere zerstörerische Kraft ausübt. Es gibt kaum ein Opfer, das diese über einen längeren Zeitraum erlebte Form von psychischer Gewalt ohne negative Auswirkungen auf die Gesundheit übersteht. Häufig sind die Opfer traumatisiert. Als Folge können Erschöpfungsdepressionen, bekannt als Burnout, eintreten. Nicht selten versuchen Opfer, ihre Schlafstörungen oder andere posttraumatische Stresssymptome mit dysfunktionalen CopingStrategien, Medikamenten oder Alkoholmissbrauch, zu bewältigen.»
Der Strafrechtler Andreas Noll ergänzt, «dass durch das Ausbleiben von Gerechtigkeit die Opfer meistens weder eine juristische noch eine psychische Genugtuung erfahren». Und Annie Sandberg doppelt nach: «Eine Entschuldigung gibt es nie, denn die Täterinnen und Täter sehen sich immer im Recht.»
Eine weitere Konsequenz von Mobbing ist der Verlust des Arbeitsplatzes. Wegen der entstandenen Rufschädigung, wie dies Aurelia Frick widerfahren ist, wird dem Opfer eine adäquate Funktion an einem anderen Arbeitsort verunmöglicht. Darauf folgt die wirtschaftliche und soziale Abwärtsspirale bis hin zum Wechsel von Wohnort und gesellschaftlichem Umfeld.
Wie kann ich mich gegen Mobbing wehren?
Gemäss Schweizer Obligationenrecht verstösst der Arbeitgeber gegen geltendes Recht, wenn dieser seine Fürsorgepflicht soweit vernachlässigt oder verletzt, dass dem Arbeitnehmer daraus eine nachhaltige Beeinträchtigung seiner psychischen Integrität entsteht. Allerdings muss der Geschädigte in einem solchen Fall zivilrechtlich gegen den fehlbaren Arbeitgeber klagen.
«Die juristische Schwierigkeit liegt im Nachweis der Kausalität, denn Mobbing ist häufig ein Gruppenphänomen und wird immer versteckt praktiziert. Das heisst, dass nicht nur eine Person verantwortlich gemacht werden kann, sondern dass ein Umfeld, das von den Mobbinghandlungen direkt oder indirekt profitiert, für die Angriffe mitverantwortlich ist», sagt Andreas Noll. «Erfolgreicher ist eine Klage wegen Verletzung der Fürsorgepflicht des Vorgesetzten. Die offene Konfrontation mit Täterin oder Täter führt hingegen häufig zu einem langwierigen, nervenaufreibenden und kostspieligen Rechtsstreit.»
Anzeichen von Mobbing sollten nicht ignoriert werden. Annie Sandberg erzählt zwar, wie sich Patientinnen eine Katze zugelegt haben, um die psychischen Angriffe daheim zu verarbeiten. «Aber eine Katze reicht nicht! Am besten sollte man sich früh nach einer alternativen Arbeitsstelle umsehen, denn der gesundheitliche Schaden wird in den meisten Fällen mit dem Erhalt der Arbeitsstelle nicht wettgemacht.»
Zudem soll das Mobbingopfer ein Tagebuch führen für den Fall einer juristischen Auseinandersetzung. Darin ist zu dokumentieren, wer der Hauptmobber ist, wer am Mobbing beteiligt ist, wer passiv zuschaut, wie und wann gemobbt wird und wie sich das Mobbing auf Gesundheit und Arbeit auswirkt. Annie Sandberg rät zudem, alle ent sprechenden Mails und Schriftstücke auszudrucken und von Textnachrichten Screenshots zu machen. Zu oft sei es vorgekommen, dass aussagekräftige Beweistexte irgend wann verschwanden und unauffindbar waren. Das Opfer soll sich zudem Hilfe bei einer neutralen Stelle holen, am besten ausserhalb des Arbeitsplatzes. Betriebsinterne Anlaufstellen haben oft kein Interesse, Mobbingvorwürfe zu klären und Täter beziehungsweise Täterinnen zu sanktionieren. «Vielmehr tendieren sie dazu, Mobbingfälle zu marginalisieren», sagt Andreas Noll und fährt fort: «Häufig trennt sich ein System zur Problemlösung lieber vom Opfer als von den Tätern.»