Wir sortieren Stelleninserate bewusst oder unbewusst nach Schlüsselwörtern, um herauszufinden, ob ein Jobprofil passt. Mit einer kurzen, aber intensiven Übung dürfen die Kursteilnehmenden die Keywordsuche trainieren. Wir suchen in unseren Stelleninseraten nach den geforderten Berufserfahrungen und Sozialkompetenzen.
Diese gefundenen Schlüsselwörter müssen anschliessend im Motivationsschreiben verwendet werden. Schliesslich wollen wir von der HR-Fachperson oder der künstlichen Intelligenz, die inzwischen oft für die Auswahl der Bewerbungsdossiers verwendet wird, für geeignet befunden werden. (Lesen Sie dazu auch den Artikel «Wer möchte denn schon von einer Maschine aussortiert werden?»)
Nach dieser ersten praktischen Einheit tasten wir uns spielerisch an typische und kritische Interviewfragen heran. Mit Hilfe einer Quiz-App duellieren wir uns über neun Runden zum strategischen Umgang mit klassischen Fragen wie: «Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?» oder «Weshalb haben Sie bisher keine Stelle gefunden?». Pro Frage kann aus vier Antworten eine gewählt werden, wobei eine oder zwei davon strategisch vielversprechender als die anderen sind. Wer richtig wählt, bekommt Punkte. Je schneller die Antwort angeklickt wird, desto mehr Punkte werden vergeben.
Aufgrund der Multiple-Choice-Anlage sind die strategisch richtigen Antworten mehr oder weniger offensichtlich. Die Krux bei einem echten Vorstellungsgespräch hingegen ist, dass einem die Antworten möglicherweise nicht auf der Zunge liegen. Die spielerische Herangehensweise ist jedoch hilfreich, um eine Strategie zur Beantwortung solcher Fragen zu entwickeln. Wir lernen, Brücken zum Arbeitgeber zu bauen und ihm zu zeigen, dass wir dieselben Interessen haben. Eine Aussage von Kursleiterin Elvira Alder zu diesem Thema bleibt besonders präsent: «Ein Vorstellungsgespräch ist keine Prüfung. Es ist ein Dialog!»
Beobachten, zuhören – anwenden
Am Nachmittag starten wir mit den ersten Interviewtrainings. Anhand der vorgängig eingereichten Bewerbungsunterlagen und der dazugehörigen Stelleninserate werden Simulationen durchgespielt. Elvira Alder übernimmt dabei die Rolle der HR-Fachperson und führt während 10 bis 15 Minuten durch das Gespräch. Alle passiven Teilnehmenden erhalten Beobachtungsaufgaben zu Gesprächsverhalten, Motivation und Umgang mit heiklen Themen. Auch nonverbale Aspekte wie Kleidung, Blickkontakt, Mimik, Gestik werden beobachtet. Jedes Gespräch wird zur späteren Selbstreflexion aufgezeichnet. Zusammen mit den konstruktiven Rückmeldungen aus der Gruppe erhält jeder Teilnehmende ein Abbild seines Verhaltens und kann nachvollziehen, ob und wo Verbesserungspotenzial vorhanden ist.
Wer während der ersten Simulationen als Zuschauer agierte, kann das Beobachtete und Gehörte im eigenen Training selbst anwenden. Als Beobachter ist es spannend, die Reaktionen und Verhaltensweisen der anderen Teilnehmenden mit den eigenen zu vergleichen. Jede Person hat kleine Eigenheiten, sogenannte blinde Flecken, die sie bisher noch gar nicht wahrgenommen hatte. Jemand gestikuliert ausdrucksstark mit den Händen, eine andere Teilnehmerin blinzelt oft, während die nächste einen festen Blick hat.
Die Zeit am ersten Kurstag reicht aus, um vier Interviewsimulationen durchzuspielen. Am Ende des Tages sind die Köpfe gefüllt mit vielen neuen Informationen und hilfreichen Inputs, die nun erst mal verarbeitet werden müssen. Die Augen brauchen eine Bildschirmpause, und die Beine wollen bewegt werden.
Entscheidend sind USP und Storytelling
Am nächsten Morgen erscheinen alle wieder im Chatroom. Bevor wir mit den restlichen Interviewtrainings fortfahren, wird uns noch einmal etwas Theorie vermittelt. Das Vorstellungsgespräch ist ein Dialog, aber es ist auch ein Verkaufsgespräch. Grundsätzlich verkaufen wir im Vorstellungsgespräch unsere professionellen Kenntnisse und Fähigkeiten. Damit der Arbeitgeber «unser Produkt» kauft, müssen sie erst von dessen Qualität überzeugt werden. Die Vorarbeit dafür wurde mit dem Bewerbungsschreiben geleistet, das vergleichbar ist mit einem Produktinserat. Nun muss das Produkt beziehungsweise unsere Kompetenz präsentiert werden.
«Sei, wie du bist, von den anderen gibt es schon genug.» Elvira motiviert uns, unsere Wettbewerbsvorteile (oder englisch: Unique Selling Proposition, kurz USP) in möglichst bildhafter Sprache zu formulieren. Mit der USP beschreibt die sich bewerbende Person kurz und bündig aussagekräftige Hard- und Softskills, die sie von den anderen Bewerbern abheben, und macht damit deutlich, weshalb sie und nur sie für diese Stelle geeignet ist.
Mit Hilfe der SAR-Methode – Situation, Aktion, Reaktion – eruiert der Arbeitgeber, ob der Bewerber dem Anforderungsprofil entspricht, fragt nach konkreten Beispielen aus der Praxis und erhält Einsicht in die Handlungskompetenzen des Bewerbers. In der Rolle des Verkäufers darf der Bewerber hier eine Geschichte erzählen, eine Erfolgsstory aus dem Berufsleben oder dem Studium.
Das Storytelling beginnt mit der Beschreibung der Ausgangslage und der verfügbaren Ressourcen. Danach wird in der Ich-Perspektive erläutert, welcher entscheidende eigene Beitrag zum Erfolg des Projekts geführt hat. Abgeschlossen wird die Erfolgsstory mit den messbaren Resultaten oder konkreten Fortschritten. Das Storytelling ermöglicht dem Bewerber, viele konkrete Beispiele in wenigen Sätzen zu nennen. In der Kleingruppe trainieren wir das Storytelling, und es macht Spass zu erleben, welcher Wow-Effekt damit erzielt wird. Je besser die USP und das Storytelling, umso grösser wird die Chance auf den Arbeitsvertrag.
Nochmals beobachten, zuhören, anwenden – und zurückblicken
Nach der gehaltvollen Theorie wenden wir uns erneut den Interviewtrainings zu. Wieder übernimmt Elvira Alder die Rolle der HR-Fachperson. Ein freiwilliger Kursteilnehmer versetzt sich in die Rolle des potenziellen Teamleiters und stellt Fragen zu den fachlichen Kompetenzen der sich bewerbenden Person. Die Simulationen erreichen in dieser Zusammensetzung eine noch realere Wirkung. Der passive Teil der Gruppe übernimmt wieder die Rolle der Beobachtenden und gibt Rückmeldungen zum Verhalten im Gespräch.
In dieser zweiten Simulationsrunde wird der Lernerfolg bemerkbar: Die Interviewten präsentieren nun noch souveräner und bringen gezielt konkrete Beispiele in das Gespräch ein. Alle Kursteilnehmenden durften sich je einmal der Simulation stellen, und alle erhielten konstruktive Rückmeldungen.
Zum Abschluss werden das Thema «Wie finde ich meinen Marktwert?» und der Umgang mit der Gehaltsfrage vertieft. Die Theorieblöcke haben die Praxis ergänzt, fehlendes Wissen ersetzt und Sicherheit geschaffen. Jeder aus der Gruppe weiss nun viel genauer, worauf während der Stellensuche, im Motivationsschreiben und während des Vorstellungsgesprächs zu achten ist.