Eine stärkere Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Arbeitskräften könnte den Fachkräftemangel entschärfen. Doch die Bereitschaft der KMU, diese beiden Gruppen zu fördern, ist beschränkt. Eine Studie vom Juni 2022 liefert dazu Daten.

Massnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie könnten zu einer höheren Erwerbsbeteiligung von Frauen führen.

Text DANIEL BÜTLER, freischaffender Autor

KMU gelten als das Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. Auch sie sind stark betroffen vom Fachkräftemangel. Fast 80 Prozent der KMU, die 2021 neue Arbeitskräfte suchten, hatten Probleme, diese zu finden. Drei Viertel konnten nicht alle Stellen wie gewünscht besetzen. Dies zeigt eine Studie, die im Auftrag der AXA-Versicherung vom Forschungsinstitut Sotomo erstellt und im Juni 2022 publiziert wurde. Befragt wurden 300 Schweizer KMU.

Altersgrenze für Neuanstellungen bei 55 Jahren
Um den Personalmangel zu beheben, gelten zwei Gruppen als Hoffnungsträger: Frauen und ältere Arbeitskräfte. Die Studie hat untersucht, inwiefern KMU bereit sind, diese Gruppen zu fördern. Zwar werden ältere Arbeitskräfte von den Unternehmen durchaus geschätzt. Sie gelten als loyal und verantwortungsbewusst. Doch dieses positive Bild stehe «in starkem Kontrast zur tiefen Bereitschaft, offene Stellen mit älteren Arbeitnehmenden zu besetzen». So stellt jedes zehnte Unternehmen in der Regel keine Personen an, die älter als 45 Jahre sind. Bei drei von zehn Unternehmen liegt die Altersgrenze zwischen 45 und 54 Jahren. Im Schnitt liegt die Altersgrenze für Neuanstellungen bei 55 Jahren.

Hier bestehe ein «grosses Potenzial, das nicht genutzt wird», kommentiert Studienautor Michael Hermann. Die Gründe für diese «Altersdiskriminierung» hat die Studie nicht untersucht. Immerhin gibt es einen Lichtblick: Ein Fünftel der KMU, insbesondere kleine, stellt Personen an, die schon das Rentenalter erreicht haben. Zudem zeigen neuste Umfragen, dass mehr Unternehmen bereit sind, die Altersgrenze bei Einstellungen nach oben zu verschieben. Statt bei rund 50 Jahren liegt sie nun oft bei 60.

Zu wenige Stellenangebote für Teilzeit und Jobsharing
Auch in Bezug auf Frauenerwerbsarbeit ist der Befund der Studie einigermassen ernüchternd. Als wichtiger Faktor gelten Massnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Doch die weibliche Erwerbsbeteiligung wird kaum aktiv gefördert. Nur jedes zwanzigste KMU setzt gezielt auf Förderprogramme für Frauen. Teilzeitarbeit und Jobsharing unterstützt nur etwa jedes zehnte Unternehmen, flexible Arbeitszeiten kennt rund ein Fünftel. Doch es gibt Anzeichen, dass auch hier Bewegung in die Strukturen kommt. Vier von zehn Unternehmen stehen einer Viertagewoche «im Grundsatz» positiv gegenüber. Besonders die kleinen KMU sind flexibel, wenn es um Home-Office geht – falls dies die Tätigkeit zulässt. Und von den grösseren KMU ergreifen neun von zehn zumindest eine konkrete Massnahme zur Gleichstellung der Geschlechter. Insgesamt aber wird laut Autor Michael Hermann das «Potenzial weiblicher Arbeitskräfte durch Schweizer KMU oftmals nicht aktiv erschlossen».

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