Viel Fachwissen, wenig Berufserfahrung – das entspricht oft nicht den hohen Anforderungen der Wirtschaft. Gerade Studienabgänger und ‑abgängerinnen mit einem grossen Rucksack an theoretischem Fachwissen tun sich mit dem ersten Schritt ins Berufsleben schwer. Coach Simon Schmid hat sich mit dieser Problematik befasst und hilft, diese Hürde zu überwinden.

Simon Schmid ist seit mehreren Jahren als Coach in der beruflichen Integration unterwegs.

FAU-Coach Simon Schmid: «Ich habe sehr viele positive Erfahrungen mit jungen Menschen sammeln dürfen.»

Text SIMON WEGMÜLLER
Foto SIMONE GLOOR

Wie schafften Sie persönlich nach der Ausbildung den Einstieg in die Arbeitswelt?
SIMON SCHMID: Diese Frage bringt mich zurück an den Anfang meiner beruflichen Karriere. Ich begann mit einer Lehre, wollte aber nicht im Lehrbetrieb bleiben. Deshalb nicht, weil ich dachte, dass ich weiter in der Rolle als Lehrling wahrgenommen würde, und das wollte ich nicht.

Deshalb habe ich mich entschieden, den Betrieb zu verlassen, nachdem ich die Lehre abgeschlossen hatte. Die Jobsuche gestaltete sich aber schwieriger, als ich mir das vorgestellt hatte. Stellen gab es in dieser Zeit für Einsteiger nicht wirklich viele. Ich wusste aber, dass ich gewisse Kompromisse eingehen musste, und habe mich auf verschiedenste Stellen beworben. Dabei habe ich auch Absagen gekriegt und musste lernen, damit umzugehen. Etwa zwei bis drei Monate später erhielt ich allerdings ein Stellenangebot in der Region Basel. Hier war der eine Kompromiss der Arbeitsweg von etwa eineinhalb Stunden, der andere, dass die Stelle befristet war.

Beides sind meiner Meinung nach Faktoren, die ein Studienabgänger in Kauf nehmen sollte. Zum Beispiel sollte gerade der Arbeitsweg eigentlich kein Kriterium sein, auch wenn dieser natürlich Grenzen haben darf. Schliesslich wurde aus meiner befristeten Stelle eine Festanstellung.

Danach wollte ich ins Ausland. Für mich war es wichtig, auch Erfahrungen ausserhalb der Schweiz zu sammeln. So machte ich einen längeren Aufenthalt in den USA und war unter anderem in San Francisco. Das war für mich eine tolle Erfahrung.

Danach habe ich mir überlegt, wie es weitergehen könnte. Mich hat immer die Idee angetrieben, Wissen zu vermitteln. Dies hat mich dazu motiviert, mein Studium abzuschliessen, obwohl es natürlich auch da manchmal Dinge gab, die mich nicht so interessierten. Ich konnte später diesen Wunsch zur Wissensvermittlung umsetzen und durfte als Fachdozent arbeiten und somit zum ersten Mal vor einer Klasse stehen.

Heute begleiten Sie unter anderem Studienabgänger auf ihrem Weg in den Arbeitsmarkt. Wie sind Sie zu FAU gekommen, und wie war es, als Sie angefangen haben, mit jungen Menschen zu arbeiten?
Die Tatsache, dass mir die Arbeit mit jungen Menschen viel Spass bereitet, hat mir die Augen geöffnet, und mir wurde klar, dass ich Menschen ins Zentrum meiner Arbeit stellen möchte und direkt mit Menschen zu tun haben wollte.

Ich wusste aber auch, dass ich noch etwas Weiteres machen wollte, und habe mich bewusst für einen Masterstudiengang im Coachingbereich entschieden, den es aber in dieser Form in der Schweiz nicht gab. Diesen Masterstudiengang konnte ich an der Universität absolvieren, was mir die Möglichkeit gab, mir ein komplett neues Fachgebiet zu erschliessen.

Ein roter Faden zog sich, wenn ich jetzt im Rückblick darauf schaue, immer durch meine Karriere: die Arbeit mit Menschen. Das kann ich hier bei FAU sehr gut einbringen, und ich mache diese Arbeit bis heute sehr gerne.

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Simon Schmid, FAU-Coach am Standort Zürich
«Es gibt keine Blaupause. Jeder Mensch ist anders. Deshalb ist kein Bewerbungsprozess gleich.»

Simon Schmid, FAU-Coach

Wie gehen Sie bei Ihrer Arbeit grundsätzlich vor?
Mir ist vor allem wichtig, die jungen Menschen abzuholen, herauszufinden, was sie wollen, sie auf ihrem Weg zu bestärken und ihnen Perspektiven aufzuzeigen, in welche Richtung ihr Weg gehen könnte. Den Weg müssen sie allerdings selbst gehen.

Zwar arbeite ich heute noch oft mit jungen Menschen, aber ich begleite bei FAU Menschen aller Altersstufen.

Wie schaffen Sie es, Studienabgänger mit viel Fachwissen, aber ohne Erfahrungen in die Arbeitswelt zu führen?
Meiner Meinung nach kann ich am meisten bewirken, wenn die Menschen noch am Anfang ihres beruflichen Werdegangs stehen. Vielfach geht es in meiner Arbeit darum, dass die jungen Leute eine Idee entwickeln können, wohin sie in Zukunft gehen wollen.

Viele meiner Klienten sind zum ersten Mal auf der Suche nach einer Stelle und somit erstmals mit der Realität des Arbeitsmarkts konfrontiert. Hier ist mir wichtig, herauszufinden, wohin sich die Person beruflich entwickeln will. Die Bearbeitung des Bewerbungsdossiers steht also nicht im Zentrum. Es geht vielmehr darum, eine Vision zu entwickeln, was eine Person machen möchte. Ich habe leider oft den Eindruck, dass junge Menschen, die zu mir kommen, ein wenig orientierungslos sind, im luftleeren Raum hängen. Auch viele Unsicherheiten sind sicher vorhanden.

Ein weiteres Problem ist, dass die Studienabgänger und Studienabgängerinnen auf keinen Erfahrungsschatz zurückgreifen können. Ich möchte ihnen in diesem Punkt vor allem aufzeigen, was für Perspektiven sie haben. Das, was sie eigentlich gerne machen würden, das tragen sie meiner Meinung nach schon in sich.

Wie läuft dieser Prozess im Groben ab?
Es gibt keine Blaupause. Jeder Mensch ist anders. Deshalb ist kein Bewerbungsprozess gleich, was die Arbeit natürlich interessant macht, aber gleichzeitig auch anspruchsvoll. Auf der anderen Seite existieren Automatismen, vor allem zu Beginn der Zusammenarbeit.

Zuerst geht es darum, sich kennen zu lernen. Was ist das für eine Person? Was interessiert sie? Was könnte sie sich für die Zukunft vorstellen? Und was ich persönlich noch wichtiger finde, ist das Aufbauen einer Vertrauensbasis. Wenn das Vertrauen nicht da ist, ist es schwierig, den Prozess so zu gestalten, dass man wirklich das volle Potenzial ausschöpfen kann. Ziel ist es, zu erreichen, dass die Person irgendwo landet, wo sie sich selbst auch sieht. Dort kann sie auch ihr volles Potenzial entfalten. Meine Rolle als Coach ist, diese Menschen durch den ganzen Prozess zu begleiten.

Wo liegen die Schwierigkeiten und Herausforderungen bei der Arbeit mit jungen Menschen?
Da erlebe ich für diese Menschen zum Teil anstrengende, mühsame und oft auch zermürbende Prozesse. Hier muss man sie zum Teil auffangen können und ihnen aufzeigen, dass dies zu einem Bewerbungsprozess gehört. Aber in jedem Gespräch, das wir führen, soll die Person näher an das herankommen, was sie wirklich umtreibt und was sie möchte.

Neben dem Kennenlernprozess ist es sicher wichtig, zunächst herauszufinden, in welche Richtung die Person sich entwickeln will. Also herauszufinden, was die Person wirklich interessiert und welche Weiterbildungen aus dem FAU-Programm diese Person weiterbringen können. Allerdings sollten die Ideen vom Gegenüber kommen und nicht von mir. Es ist nicht mein Ziel, jemandem meine Ideen aufzudrängen. Vielmehr möchte ich die Studienabgänger und Studienabgängerinnen dazu ermutigen, dass sie eine gewisse Offenheit und Neugier mitbringen. Die Offenheit sollen sie auch in den Kursen, die sie besuchen, zeigen und Kontakte knüpfen. Insbesondere mit anderen Teilnehmenden, die auf dem Arbeitsmarkt bereits Erfahrungen haben. Das ist sicher ein wichtiger Aspekt, von dem gerade junge Menschen profitieren können.

Welche Erlebnisse konnten Sie während Ihrer Tätigkeit als Coach bislang sammeln?
Jede Person hat einen individuellen Weg und bringt ihre Eigenheiten mit. Ich gehe immer davon aus, dass diese jungen Menschen die Antworten bereits in sich tragen. Mein Coaching zielt darauf ab, den Zugang zu sich selbst zu finden: Was interessiert sie, was treibt sie an, und wo sehen sie sich selbst? Der Prozess soll mehr Klarheit in das Ganze bringen. Dabei geht es mir darum, das Gegenüber umfassend zu verstehen und in erster Linie zuzuhören. Was die Menschen in der Vergangenheit gemacht haben, spielt oft eine Rolle, um dort wieder Anknüpfungspunkte zu finden.

Bei gewissen Personen kann der Prozess auch von Unsicherheiten und Misstrauen geprägt sein. Vielleicht auch von einer gewissen Scheuheit oder Zurückhaltung. Vielleicht braucht es hier dann ein Selbstwert- oder Resilienztraining, bei dem der Studienabgänger an sich selbst arbeitet und versucht, ein möglichst klares Bild von sich selbst zu bekommen, und den Glauben an seine persönlichen Fähigkeiten stärkt. In diesen Fällen können verschiedenste Interventionen, unter anderem auch Affirmationen respektive positive Kraftsätze, in der Coachingarbeit unterstützend und gezielt eingesetzt werden. Solche Affirmationen dienen dazu, diese Menschen auch auf der Ebene des Unterbewusstseins abzuholen, die automatischen und negativen Programme zu identifizieren und mit positiven Gedanken zu nähren und zu stärken. Konkret werden selbstlimitierende, entmutigende oder blockierende Gedanken- und Handlungsmuster durch positive und befreiende Affirmationen ersetzt. Dabei spielen auch die persönliche Gefühlswelt und die eigene Erfahrung eine wichtige Rolle.

Eine wesentliche Aufgabe in meiner Tätigkeit sehe ich darin, dass ich die Studienabgänger immer wieder an dem Punkt abhole, wo sie sich gerade befinden. Denn zu einem dynamischen Bewerbungsprozess gehören leider auch Rückschläge und Enttäuschungen. Hier stehe ich als Coach bereit, um bei solchen vermeintlichen Niederlagen diese jungen Leute wieder aufzufangen und sie weiter auf ihrem Weg in die Arbeitswelt zu bestärken sowie Zuversicht und Vertrauen in die Zukunft zu vermitteln.

Sehen Sie Gemeinsamkeiten, die sich bei den meisten jungen Berufseinsteigern wiederfinden?
Fast alle haben die Gemeinsamkeit, dass sie möglichst bald in die Arbeitswelt eintreten möchten. Das ist absolut verständlich. Gerade für die gesellschaftliche Anerkennung ist ein Job ein wichtiger Aspekt. Das «so schnell wie möglich» ist aber oftmals auch ein Problem, denn der Prozess benötigt zum Teil etwas Geduld. Wenn die Teilnehmenden eine gewisse Offenheit mit sich bringen, hilft mir das sehr. Was die meisten möchten, ist vorwärtskommen und etwas bewegen, sonst wären sie gar nicht in diesem Programm. Aber eine richtige Vorstellung, wie denn der ganze Prozess genau ablaufen soll, das haben die wenigsten.

Was waren Ihre persönlichen Highlights bisher?
Alles in allem habe ich bisher sehr viele positive Erfahrungen mit jungen Menschen sammeln dürfen. Ich versuche immer, das Positive in den Vordergrund zu stellen und den Teilnehmenden aufzuzeigen: Wenn man mal eine Absage kriegt, ist dies per se keine Niederlage, sondern es ist eine Möglichkeit, im Prozess weiterzukommen. Was sicher auch hilft, sind die Kurse aus unserem FAU-Weiterbildungsprogramm, wie zum Beispiel Interviewtrainings, bei denen die Teilnehmenden direkt ein Feedback erhalten. Und dies in einem geschützten Rahmen. Jedes Vorstellungsgespräch, zu dem die Teilnehmenden eingeladen werden, ist ein Training und bringt sie weiter – selbst wenn sie am Schluss eine Absage bekommen.

Und das Wichtigste ist: Wenn ich als Coach offen und neugierig bin, dann kann ich auch vieles aus den eigenen Coachingprozessen mitnehmen und kann mich so selbst weiterentwickeln. Ich finde auch spannend, dass ich vielfach mit einer anderen Generation zu tun habe. Da erfahre ich viel Neues und was diese Generation beschäftigt.
Manchmal gibt es auch unglaubliche Dinge: Ich hatte einen Teilnehmer, der einen Bachelorabschluss in Volkswirtschaftslehre hatte. Er wollte mit diesem Bachelorabschluss Fuss fassen und suchte eine Stelle im Consulting- und Treuhandbereich.

Ich habe ihn dabei begleitet, denn der Consulting- und Treuhandbereich war seine Idee, und er hatte auch bereits Bewerbungsgespräche. Mit der Zeit hat sich allerdings herausgestellt, dass dieser Bereich nicht wirklich das ist, wohin es ihn zieht. Wir sind dann zurück und machten ein Brainstorming, um herausfinden, was ihn wirklich interessiert. So ist irgendwann das Thema Gesundheit aufgekommen, weil dies für ihn selbst etwas Wichtiges repräsentiert hat.

Wie schaffte der Studienabgänger den Einstieg?
Wir dachten gemeinsam über das weitere Vorgehen nach und was der erste Schritt sein könnte. Es wurde relativ schnell klar, dass dem Teilnehmer ausbildungsmässig noch etwas fehlte. Er hat dann selbst geschaut, was für Weiterbildungen möglich wären. Schliesslich stiess er auf ein Angebot der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften im Fachbereich Gesundheitsökonomie. Er kontaktierte die Studienleitung, um herauszufinden, ob der Lehrgang wirklich das ist, was er machen möchte. Im Kantonsspital Baden fand er einen Praktikumsplatz. Einen Monat nach Beginn des Praktikums konnte er mit dem Studium starten. Soviel ich weiss, studiert er derzeit noch dort.

Tipps für Studienabgänger

So klappt der Berufseinstieg

  • Vernetzt sein. Bereits während des Studiums ein aktives und nachhaltiges Netzwerk aufbauen. Vernetzungsmöglichkeiten an Career Events, im Studienverbund oder an sonstigen Aktivitäten von Bildungsinstitutionen wahrnehmen. Praktikumsmöglichkeiten in Semesterpausen annehmen.
  • Sich seiner Fähigkeiten und Interessen bewusst sein und diesen vertrauen. Analyse der Interessen sowie Kompetenzen und einschätzen, wie sie auch zielführend eingesetzt werden können. Test: Wenn ich in der Lage bin, eine Minute lang über eine persönliche Fähigkeit zu sprechen, dann besitze ich diese Fähigkeit auch tatsächlich.
  • Visionär sein. Eine persönliche Vorstellung respektive Vision von seiner zukünftigen Arbeitsrolle oder Arbeitstätigkeit entwickeln.
  • Mutig sein. Direkt mit Berufserfahrenen im gewünschten Berufsfeld in Kontakt treten und sich mit ihnen zu einem Treffen verabreden. Oft stellen die Stellenausschreibungen von Unternehmen eine Wunschliste dar. Daher sollte man sich nicht davon abschrecken lassen.
  • Offen und flexibel sein. Eine Initiativbewerbung kann zum Erfolg führen. Dies erfordert jedoch zunächst vermehrte Recherche- und Netzwerkarbeiten.
    Auch befristete Anstellungen können ein Lösungsweg sein.
  • Gelassen bleiben. Oft kommt es anders als gedacht und geplant. Der Weg ist das Ziel.

Zur Person
Simon Schmid, 45, absolvierte sein Masterstudium in Mentalcoaching an der Paris Lodron Universität in Salzburg. Er arbeitete zuvor als Ökonom und Berater in diversen Fach- und Führungsfunktionen im privaten und öffentlichen Finanzbereich. Daneben war er im Bildungssektor als Fachdozent in Management und Wirtschaft, als Mentor für Bachelorthesen und Studienarbeiten sowie in der Schulleitung im Bereich der Erwachsenenbildung tätig.

Simon Schmid ist seit mehreren Jahren als Coach in der beruflichen Integration unterwegs. Seit September 2020 arbeitet er als Coach bei FAU – Fokus Arbeit Umfeld in Zürich. Im ALV-Bereich begleitet er hochqualifizierte Stellensuchende auf ihrem Weg zurück ins Berufsleben.

«blickwinkel»-Ausgabe 16, Frühling 2023: Fachkraft

Dieser Beitrag entstand für die Zeitschrift «blickwinkel», deren Frühlingsausgabe 2023 sich dem Thema Fachkräftemangel widmet.

Von 2015 bis 2023 gab FAU – Fokus Arbeit Umfeld die Zeitschrift «blickwinkel» zweimal im Jahr heraus. Jede Ausgabe konzentriert sich auf ein facettenreiches Thema und beleuchtet es aus unterschiedlichsten Perspektiven. Die einzelnen Ausgaben können zum Preis von CHF 10.– pro Heft inklusive Versand und solange Vorrat nachbestellt werden: Nachbestellung «blickwinkel»

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