Wie gehen Sie bei Ihrer Arbeit grundsätzlich vor?
Mir ist vor allem wichtig, die jungen Menschen abzuholen, herauszufinden, was sie wollen, sie auf ihrem Weg zu bestärken und ihnen Perspektiven aufzuzeigen, in welche Richtung ihr Weg gehen könnte. Den Weg müssen sie allerdings selbst gehen.
Zwar arbeite ich heute noch oft mit jungen Menschen, aber ich begleite bei FAU Menschen aller Altersstufen.
Wie schaffen Sie es, Studienabgänger mit viel Fachwissen, aber ohne Erfahrungen in die Arbeitswelt zu führen?
Meiner Meinung nach kann ich am meisten bewirken, wenn die Menschen noch am Anfang ihres beruflichen Werdegangs stehen. Vielfach geht es in meiner Arbeit darum, dass die jungen Leute eine Idee entwickeln können, wohin sie in Zukunft gehen wollen.
Viele meiner Klienten sind zum ersten Mal auf der Suche nach einer Stelle und somit erstmals mit der Realität des Arbeitsmarkts konfrontiert. Hier ist mir wichtig, herauszufinden, wohin sich die Person beruflich entwickeln will. Die Bearbeitung des Bewerbungsdossiers steht also nicht im Zentrum. Es geht vielmehr darum, eine Vision zu entwickeln, was eine Person machen möchte. Ich habe leider oft den Eindruck, dass junge Menschen, die zu mir kommen, ein wenig orientierungslos sind, im luftleeren Raum hängen. Auch viele Unsicherheiten sind sicher vorhanden.
Ein weiteres Problem ist, dass die Studienabgänger und Studienabgängerinnen auf keinen Erfahrungsschatz zurückgreifen können. Ich möchte ihnen in diesem Punkt vor allem aufzeigen, was für Perspektiven sie haben. Das, was sie eigentlich gerne machen würden, das tragen sie meiner Meinung nach schon in sich.
Wie läuft dieser Prozess im Groben ab?
Es gibt keine Blaupause. Jeder Mensch ist anders. Deshalb ist kein Bewerbungsprozess gleich, was die Arbeit natürlich interessant macht, aber gleichzeitig auch anspruchsvoll. Auf der anderen Seite existieren Automatismen, vor allem zu Beginn der Zusammenarbeit.
Zuerst geht es darum, sich kennen zu lernen. Was ist das für eine Person? Was interessiert sie? Was könnte sie sich für die Zukunft vorstellen? Und was ich persönlich noch wichtiger finde, ist das Aufbauen einer Vertrauensbasis. Wenn das Vertrauen nicht da ist, ist es schwierig, den Prozess so zu gestalten, dass man wirklich das volle Potenzial ausschöpfen kann. Ziel ist es, zu erreichen, dass die Person irgendwo landet, wo sie sich selbst auch sieht. Dort kann sie auch ihr volles Potenzial entfalten. Meine Rolle als Coach ist, diese Menschen durch den ganzen Prozess zu begleiten.
Wo liegen die Schwierigkeiten und Herausforderungen bei der Arbeit mit jungen Menschen?
Da erlebe ich für diese Menschen zum Teil anstrengende, mühsame und oft auch zermürbende Prozesse. Hier muss man sie zum Teil auffangen können und ihnen aufzeigen, dass dies zu einem Bewerbungsprozess gehört. Aber in jedem Gespräch, das wir führen, soll die Person näher an das herankommen, was sie wirklich umtreibt und was sie möchte.
Neben dem Kennenlernprozess ist es sicher wichtig, zunächst herauszufinden, in welche Richtung die Person sich entwickeln will. Also herauszufinden, was die Person wirklich interessiert und welche Weiterbildungen aus dem FAU-Programm diese Person weiterbringen können. Allerdings sollten die Ideen vom Gegenüber kommen und nicht von mir. Es ist nicht mein Ziel, jemandem meine Ideen aufzudrängen. Vielmehr möchte ich die Studienabgänger und Studienabgängerinnen dazu ermutigen, dass sie eine gewisse Offenheit und Neugier mitbringen. Die Offenheit sollen sie auch in den Kursen, die sie besuchen, zeigen und Kontakte knüpfen. Insbesondere mit anderen Teilnehmenden, die auf dem Arbeitsmarkt bereits Erfahrungen haben. Das ist sicher ein wichtiger Aspekt, von dem gerade junge Menschen profitieren können.
Welche Erlebnisse konnten Sie während Ihrer Tätigkeit als Coach bislang sammeln?
Jede Person hat einen individuellen Weg und bringt ihre Eigenheiten mit. Ich gehe immer davon aus, dass diese jungen Menschen die Antworten bereits in sich tragen. Mein Coaching zielt darauf ab, den Zugang zu sich selbst zu finden: Was interessiert sie, was treibt sie an, und wo sehen sie sich selbst? Der Prozess soll mehr Klarheit in das Ganze bringen. Dabei geht es mir darum, das Gegenüber umfassend zu verstehen und in erster Linie zuzuhören. Was die Menschen in der Vergangenheit gemacht haben, spielt oft eine Rolle, um dort wieder Anknüpfungspunkte zu finden.
Bei gewissen Personen kann der Prozess auch von Unsicherheiten und Misstrauen geprägt sein. Vielleicht auch von einer gewissen Scheuheit oder Zurückhaltung. Vielleicht braucht es hier dann ein Selbstwert- oder Resilienztraining, bei dem der Studienabgänger an sich selbst arbeitet und versucht, ein möglichst klares Bild von sich selbst zu bekommen, und den Glauben an seine persönlichen Fähigkeiten stärkt. In diesen Fällen können verschiedenste Interventionen, unter anderem auch Affirmationen respektive positive Kraftsätze, in der Coachingarbeit unterstützend und gezielt eingesetzt werden. Solche Affirmationen dienen dazu, diese Menschen auch auf der Ebene des Unterbewusstseins abzuholen, die automatischen und negativen Programme zu identifizieren und mit positiven Gedanken zu nähren und zu stärken. Konkret werden selbstlimitierende, entmutigende oder blockierende Gedanken- und Handlungsmuster durch positive und befreiende Affirmationen ersetzt. Dabei spielen auch die persönliche Gefühlswelt und die eigene Erfahrung eine wichtige Rolle.
Eine wesentliche Aufgabe in meiner Tätigkeit sehe ich darin, dass ich die Studienabgänger immer wieder an dem Punkt abhole, wo sie sich gerade befinden. Denn zu einem dynamischen Bewerbungsprozess gehören leider auch Rückschläge und Enttäuschungen. Hier stehe ich als Coach bereit, um bei solchen vermeintlichen Niederlagen diese jungen Leute wieder aufzufangen und sie weiter auf ihrem Weg in die Arbeitswelt zu bestärken sowie Zuversicht und Vertrauen in die Zukunft zu vermitteln.
Sehen Sie Gemeinsamkeiten, die sich bei den meisten jungen Berufseinsteigern wiederfinden?
Fast alle haben die Gemeinsamkeit, dass sie möglichst bald in die Arbeitswelt eintreten möchten. Das ist absolut verständlich. Gerade für die gesellschaftliche Anerkennung ist ein Job ein wichtiger Aspekt. Das «so schnell wie möglich» ist aber oftmals auch ein Problem, denn der Prozess benötigt zum Teil etwas Geduld. Wenn die Teilnehmenden eine gewisse Offenheit mit sich bringen, hilft mir das sehr. Was die meisten möchten, ist vorwärtskommen und etwas bewegen, sonst wären sie gar nicht in diesem Programm. Aber eine richtige Vorstellung, wie denn der ganze Prozess genau ablaufen soll, das haben die wenigsten.
Was waren Ihre persönlichen Highlights bisher?
Alles in allem habe ich bisher sehr viele positive Erfahrungen mit jungen Menschen sammeln dürfen. Ich versuche immer, das Positive in den Vordergrund zu stellen und den Teilnehmenden aufzuzeigen: Wenn man mal eine Absage kriegt, ist dies per se keine Niederlage, sondern es ist eine Möglichkeit, im Prozess weiterzukommen. Was sicher auch hilft, sind die Kurse aus unserem FAU-Weiterbildungsprogramm, wie zum Beispiel Interviewtrainings, bei denen die Teilnehmenden direkt ein Feedback erhalten. Und dies in einem geschützten Rahmen. Jedes Vorstellungsgespräch, zu dem die Teilnehmenden eingeladen werden, ist ein Training und bringt sie weiter – selbst wenn sie am Schluss eine Absage bekommen.
Und das Wichtigste ist: Wenn ich als Coach offen und neugierig bin, dann kann ich auch vieles aus den eigenen Coachingprozessen mitnehmen und kann mich so selbst weiterentwickeln. Ich finde auch spannend, dass ich vielfach mit einer anderen Generation zu tun habe. Da erfahre ich viel Neues und was diese Generation beschäftigt.
Manchmal gibt es auch unglaubliche Dinge: Ich hatte einen Teilnehmer, der einen Bachelorabschluss in Volkswirtschaftslehre hatte. Er wollte mit diesem Bachelorabschluss Fuss fassen und suchte eine Stelle im Consulting- und Treuhandbereich.
Ich habe ihn dabei begleitet, denn der Consulting- und Treuhandbereich war seine Idee, und er hatte auch bereits Bewerbungsgespräche. Mit der Zeit hat sich allerdings herausgestellt, dass dieser Bereich nicht wirklich das ist, wohin es ihn zieht. Wir sind dann zurück und machten ein Brainstorming, um herausfinden, was ihn wirklich interessiert. So ist irgendwann das Thema Gesundheit aufgekommen, weil dies für ihn selbst etwas Wichtiges repräsentiert hat.
Wie schaffte der Studienabgänger den Einstieg?
Wir dachten gemeinsam über das weitere Vorgehen nach und was der erste Schritt sein könnte. Es wurde relativ schnell klar, dass dem Teilnehmer ausbildungsmässig noch etwas fehlte. Er hat dann selbst geschaut, was für Weiterbildungen möglich wären. Schliesslich stiess er auf ein Angebot der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften im Fachbereich Gesundheitsökonomie. Er kontaktierte die Studienleitung, um herauszufinden, ob der Lehrgang wirklich das ist, was er machen möchte. Im Kantonsspital Baden fand er einen Praktikumsplatz. Einen Monat nach Beginn des Praktikums konnte er mit dem Studium starten. Soviel ich weiss, studiert er derzeit noch dort.